Auf Entdeckungsreise mit einem Elektromobil.

Schnurrend zur Kunst/ Zwischen Puppenspiel und süßen Früchten

Zugegeben. Ein wenig ungewohnt ist es. Den Schlüssel drehen, leicht das Gaspedal tippen. Fährt es schon? Hören tut man nichts. Doch dann: Wie von Geisterhand setzt sich unser Gefährt in Bewegung. Praktisch aus dem Stand heraus schnurrt es auf fast Höchstgeschwindigkeit: gemütliche 25 Stundenkilometer zeigt der Tacho. Aber das reicht, schließlich geht es hierbei nicht um Geschwindigkeit, es geht um Genuss. Und mit so einem elektromobilen Golfcart lässt sich leicht die Langsamkeit entdecken. Und lieben.

Der Start unserer Tour ist mitten im Herz Ostwestfalens, genauer gesagt in Preußisch Oldendorf. Von hier aus rollen wir los. Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist es schon, fahren und bremsen scheint viel direkter zu funktionieren. Man ist viel näher dran an der Bewegung. Spürt sie. Und bequem ist es auch noch.

So, den Blinker setzen, gucken, abbiegen. Denn auch wenn es beschaulich zugeht in einem Elektromobil, die Verkehrsregeln gelten genauso für die langsameren Nutzer der Straße. Aber wir dürfen die Straße schnell wieder verlassen, es geht auf einen asphaltierten Feldweg. Kein Auto, kein Lkw nimmt uns hier die Aufmerksamkeit. Zumal das Gefährt wesentlich leiser ist als, sagen wir mal, eine Espressomaschine. Oder eine elektrische Zahnbürste. Wir haben das Drumherum für uns allein. Wir können gucken.

Und zu sehen gibt es eine Menge. Im Mühlenkreis Minden-Lübbecke lässt sich hinter nahezu jeder Kurve etwas entdecken. Mehr als 70 Stationen unterschiedlicher Sehenswürdigkeiten sind es auf der „LandArt-Route“. Darunter sind kleine Ateliers, prächtige Herrenhäuser und pittoreske Dörfer. Man kann mit Künstlern und Handwerkern schnacken oder sich einen Tipp für eine ganz spezielle Marmelade holen. Natürlich finden sich am Wegesrand kleine Läden, Wirtshäuser und ungezählte Momente, um einen Augenblick zu verweilen.

Zum Beispiel in Offelten, kurz hinter Preußisch Oldendorf. Wir haben uns für eine Etappe der LandArt-Route im südwestlichen Teil des Landkreises entschieden. Offelten ist unser erster Halt. Dieses Dorf ist wie aus dem Wunschbuch eines Heimatfreundes; die Hauptstraße windet sich zwischen alten Fachwerkhäusern entlang, Zwetschen- und Birnenbäume stehen Spalier. Ringeltauben fliegen auf, ein Hausrotschwanz blickt unserem Fahrzeug hinterher. Kein Wunder, dass Offelten als das Dorf Westfalens gilt, das seinen ursprünglichen Charakter am besten erhalten hat. Die Fachwerkhöfe hier stammen größtenteils aus dem 18. Und 19. Jahrhundert, doch die Wurzeln reichen bis ins frühe Mittelalter. Wenn ein Ort schon 1500 Jahre beliebt ist, sollte man sich leicht ein paar Minuten nehmen. Hier kann man Geschichte atmen.

Weiter geht es und der kleine Vogel schaut uns hinterher. Nahezu geräuschlos lassen wir ihn und sein Dorf hinter uns.

Natürlich könnte man sich die Sehenswürdigkeiten Ostwestfalens auch per Automobil anschauen. Doch so ist es viel entspannter. Unser Golfcart ist Teil eines ganzen Fuhrparks, mit dem sich die Region erkunden lässt. Mit dem Projekt „Schau an! Wir sind mobil“ soll zweierlei erreicht werden: Zum einen wird eine umweltschonende Art der Fortbewegung gefördert, sie ist gleichsam ein Urlaub vom Auto. Zum anderen kann sich dadurch eine ganze Region in ihrer Vielfalt und Schönheit besser präsentieren. Wenn man so will, ist das Elektromobil ein touristischer Standortvorteil im Wettbewerb um Besucher.

Da gibt es beispielsweise das Golfcart. Wunderbar geeignet für vier Personen mit zusätzlich viel Platz für Picknickkorb oder Kinderwagen. Oder die Rikscha, bei der jeder auch noch selbst in die Pedale treten kann. Dann gibt es „Tante Paula“, das ist ein Cityroller, der ebenso kinderleicht zu bedienen ist wie die anderen Elektrofahrzeuge. Alle Typen haben natürlich eine Straßenzulassung und man braucht lediglich einen Führerschein, um sie fahren zu dürfen. Dann kann es losgehen. Zwischen 30 und 70 Kilometer kommt man mit ihnen, mit der Rikscha lassen sich sogar Strecken bis zu 90 Kilometern zurücklegen – sofern man mithilft.

Soweit haben wir es zum Glück heute nicht. Nach einer gemächlichen Fahrt halten wir in Alswede. Gleich hinter dem Dorf liegt der Mittellandkanal und auch das Wiehengebirge ist lediglich einen Steinwurf weit entfernt. Hier hat sich Rainer Ern ein Heim geschaffen und ein Atelier. Der „Aussteiger aus Düsseldorf“, wie er von sich selbst sagt, lebt seit 25 Jahren hier. „Leben ist mein Thema“, erzählt er in seiner guten Stube, „und gerade hier auf dem Land und mit dem Land kann ich die Dinge umsetzen, die mich beschäftigen.“

Das sind Beziehungen, das Wechselspiel zwischen Formen und Materialien. Das Organische. Diese Themen finden sich immer wieder. Da ist die Skulptur aus Pflaumenholz zwischen Masken aus Afrika und Mandalas aus Asien. Da sind die Stelen, Figuren, die seinen Garten bevölkern, in dem ein wunderbar wildes Miteinander von Wildwuchs, lauschigen Ecken und Kunst herrscht. Zu jedem Element gibt es eine Geschichte und wer interessiert ist, und vorher zum Telefon greift, bevor er vor seiner Haustür steht, kriegt sie vielleicht auch zu hören.

Wir haben sogar noch einen Kaffee bekommen und sind nun wieder auf der Piste. Es ist schön, die Sonne scheint, am Wegrand blühen Hundsrose, Schafgarbe und hier und da ist noch eine Kugelblume zu sehen. Kürbismännlein verweisen auf den ausklingenden Sommer. Es lohnt sich immer, die Augen offenzuhalten: Mal kreuzt ein Graureiher am Himmel, manchmal sogar ein Kiebitz, da hinten fliegt ein Roter Milan!

Natur und Kultur verzahnen sich aufs Beste hier im Kreis. Wilde Pflanzen und Gartenkunst gehen ineinander über. Gemeinsam schmücken sie die Anlagen vieler herrschaftlicher Häuser, die sich hier entdecken und bewundern lassen. Zum Beispiel in Hedem das Schloss Hollwinkel. Auf einer breiten, altehrwürdigen Kastanienallee gelangt man zu dem im 13. Jahrhundert angelegten Gut. Und wie hübsch es ist! Die Türmchen, die Fachwerkelemente, der Strandkorb auf dem Balkon. Das Schloss ist teilweise vermietet und bietet vielen Menschen eine Heimstatt.

Von solch herrschaftlichen Schmuckstücken gibt es im Mühlenkreis mehr als 20. Natürlich kann man nicht überall herumspazieren, wie es einem gefällt. Schließlich leben dort Menschen, die auch einen Anspruch auf ihre Ruhe haben. Aber viele der Anlagen und Gärten öffnen ihre Pforten von Zeit zu Zeit. Wer diese Schätze sehen will, muss einfach nur ein wenig Geduld haben – und es lohnt sich! Schon im Vorübergleiten kann man über diese Form der bescheidenen Pracht staunen.

Solcherlei Geduld kann, muss belohnt werden. Zum Beispiel mit einem Roter Berlebsch. Oder einem Glockenapfel. Oder Zwetschgen, einer Sauerkirschmarmelade mit Amaretto, eingelegtem Kürbis, Butterbrotgurken und, und, und... Im Hofladen der Wickemeyers finden sich diese und andere Köstlichkeiten. Es macht einfach Freude, das prächtige Obst und Gemüse zu sehen und zu riechen und sich vorzustellen, wie lecker all die eingeweckten Dinge in den bauchigen Gläsern wohl schmecken. Am besten sollte man gleich einen ganzen Vorrat einkaufen. ... Oder man macht an einem der nächsten Gelegenheiten Halt und probiert westfälische Spezialitäten; Schinken und Pickert sind dabei nur die bekanntesten.

Gestärkt geht es weiter. Auch wenn man natürlich nicht viel mehr bewegt als den Fuß am Gaspedal und von Zeit zu Zeit den Kopf, um die Landschaft komplett in sich aufzusaugen, macht auch die Fahrt in einem Golfcart müde. Man ist ständig an der frischen Luft und sollte sich schon eine Jacke oder einen leichten Pullover einstecken. Nur für den Fall.

Unsere Tour führt uns durch den Wald des Wiehengebirges. Die groben Forstwege meistert unser Golfcart problemlos. Es mag wie ein Spielzeug aussehen, erfüllt aber seinen Zweck ganz hervorragend. Es bringt uns von A nach B und dabei ist genug Zeit, die Lichter zwischen den Buchen tanzen zu sehen. Das tausenderlei Grün, den schnellen Wechsel zwischen Berg und Tal.

Am Südhang des Höhenzuges gelangen wir in Hüllhorst zur ehemaligen Holländermühle. Karin Müller – nein, das ist kein Künstlername, die Dame heißt wirklich so – wohnt hier. Gemeinsam mit ihrer Familie, ihren Puppen und ihren Geschichten. Denn Karin Müller gestaltet, formt und erschafft nicht nur allerlei Kreaturen aus Pappmaché, Holz, Ton und Stoff, sie erweckt sie auch zum Leben auf einer der Bühnen in ihrem Haus. Oder mal spontan, so zwischen Tür und Angel. Kinder und Erwachsene, Landfrauen und Manager zieht sie gleichermaßen mit ihrem Repertoire in ihren Bann. Die alte Mühle mit ihren verwunschenen Ecken tut ihr Übriges dabei.

Mühle und Wohnhaus sind voll von Charakteren; Lilli, die Reblaus ist da. Oder Doktor Drösel, der stumme Caruso, oder die sich selbst sortierende Mülltonne, die nicht umhin kann, immer ihren Senf hinzu zu geben. Genauso wie Wolken, Regen, Sonne und der Traum, der zu einer Figur wird und in die Nacht entführt. „Es gibt einen Punkt, an dem wird es magisch“, sagt sie und die Handpuppe im Schaffnerkostüm in ihrem Arm scheint zustimmend mit dem Kopf zu nicken.

Es geht wieder heim, mit dem letzten Saft. Man tut gut daran, die Batteriestandanzeige im Blick zu haben. Denn der Verbrauch und die Reichweite solch eines Fahrzeugs sind doch ungewohnt.

Auch unsere Tour ist fast vorbei. Leider haben wir nur einen Bruchteil der LandArt-Route erkunden können. Doch jetzt ist die Batterie leer, der Kopf voller Eindrücke. Im Schein der untergehenden Sonne rollen wir nach Preußisch Oldendorf. Feierabend. Jetzt erst mal ein Bier.

PS: Alle zwei Jahre findet ein ganz besonderes Fest hier im Kreis statt: das LandArt-Festival im Mühlenkreis vom 13. Juni bis Juli 2015. In dem Jahr steht es unter dem Motto „Wasser - Element, Elixier, Emotion”. Mehr dazu ab Januar 2015 auf der Seite www.landart-muehlenkreis.de

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